Bürgerbefragung Neckarweihingen

Formloses Stimmungsbild, eine Alibiaktion?

Kommentar von Werner Hillenbrand

In Neckarweihingen steht die Ansiedlung eines Supermarktes an. Dieser sollte in der ersten Planung im Neubaugebiet Neckarterrasse angesiedelt werden. Gleichzeitig ist die Friedrich-von-Keller-Schule zu sanieren. Um die Sanierungskosten zu reduzieren hat die Stadtverwaltung Ludwigsburg eine Kombination von Schule und Supermarkt vorgeschlagen.

Über diese Frage ist ein heftiger Streit im Gemeinderat und in Neckarweihingen entstanden. Die Einen wollen den Vorrang eines pädagogischen Konzeptes ohne Supermarkt, für die Anderen hat die ökonomische Frage Vorrang.OK-AA-Bürgerbeteiligung

Um die Betroffenen mit in die Entscheidung einzubeziehen, sollen nun die Bürger und Bürgerinnen von Neckarweihingen mittels eines „Formloses Stimmungsbildes“ ihre Meinung sagen. Diese Form der Bürgerbeteiligung ist aber für den Gemeinderat nicht verbindlich! Ist das gewollt? Damit entsteht der Eindruck, als ob die Befragung nur eine Alibifunktion hat. Das wird auch durch Aussagen von Stadträten belegt, die sich ihre Entscheidung, unabhängig vom Ausgang der Befragung, vorbehalten wollen.

Wer es ernst meint mit der Bürgerbeteiligung sollte aber nicht nur ein Stimmungsbild ermitteln, sondern die Bürger verbindlich entscheiden lassen. Deshalb wäre ein Bürgerentscheid entsprechend § 21 der GemO (Gemeindeordnung) notwendig. Nach Ziffer 7 hat ein Bürgerentscheid die Wirkung eines entgültigen Beschlusses des Gemeinderates. Es ist unfair, den Eindruck zu vermitteln die Bürger und Bürgerinnen würden beteiligt, aber ohne Verbindlichkeit. Der Gemeinderat sollte entweder Kraft seiner im von den Wählern und Wählerinnen gegeben Vollmacht entscheiden, oder wenn er das – warum auch immer- nicht will, und er fragt die Betroffenen, dann muss das aber auch verbindlich sein. Alles andere ist eine Verhöhnung der Bürger und Bürgerinnen.

Nachfolgend die Stellungnahme in der GR-Sitzung am 25. Juli 2012:

„Herr OBM, meine Damen und Herren,

ich habe in der WKV Sitzung, auch für die LUBU gegen das „Formlose Stimmungsbild“ gesprochen und gestimmt. Nicht wie in der Presse verkürzt dargestellt, weil ich gegen die Bürgerbeteiligung bin, sondern der Hintergrund war meine Forderung nach einem Bürgerentscheid.

Ich wollte eine verbindliche Form der Bürgerbeteiligung. Die irrtümlich Meinung, dass der Bürgerentscheid genau so wenig für den GR verbindlich sei, wie ein „Formloses Stimmungsbild“ ist falsch. Im § 21 der GemO Ziffer 7 zum Bürgerentscheid steht:

Der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines entgültigen Beschlusses des Gemeinderats. Er kann innerhalb von drei Jahren nur durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden.

Auch die Behauptung ein Bürgerentscheid sei in einem Stadtteil nicht möglich, halte ich für nicht belegt. Es gibt keine Formulierung in der GemO die einen Bürgerentscheid in einem Stadtteil untersagt. Nach meinen Recherchen entsteht der Eindruck, dass es nur noch nie durchgeführt wurde. Das waren unsere Gründe für die Ablehnung des „Formloses Stimmungsbildes“

Da die Verwaltung und wie sich abzeichnet die Mehrheit im GR, warum auch immer,  für das Verfahren ist und um Verzögerung zu vermeiden und damit nicht wieder der Eindruck entsteht  ich wäre gegen die Beteiligung der Bürger, werde ich heute diesem Verfahren zustimmen. Voraussetzungen dafür ist aber, das auf dem Stimmzettel die Bezeichnung Schwarzwaldstraße Kombistandort Schule Supermarkt steht. Es muss den Abstimmenden besonders auf dem Stimmzettel

klar sein, dass es sich nicht nur um eine Standortentscheidung, sondern auch um eine Gestaltungsform der Schule handelt. Meine Zustimmung unter diesen Bedingungen, soll den Bürgerinnen und Bürgern in Neckarweihingen die Chance geben mindestens ihre Stimmung darstellen zu können.“

Pädagogische Grundsätze gehen baden

Vor der Abstimmung zum „Formlosen Stimmungsbild“ in Neckarweihingen, soll eine Informationsbroschüre verteilt werden. Damit soll erreicht werden, dass die Befragten die Möglichkeit haben, sich umfassend über Vor- und Nachteile der jeweiligen Standpunkte zu informieren.

Die nun vorliegenden Entwürfe für die Informationsbroschüre für die Bürger und Bürgerinnen erfüllen aber nicht die Anforderungen einer objektiven und sachlichen Information.

Ortsvorstandssprecher der Partei die Linke Werner Hillenbrand stellt dazu fest: „Nicht nur, dass die Befragung der Bürger und Bürgerinnen keine verbindliche Entscheidung ist, wird auch noch versucht mit tendenziösen  Methoden zu arbeiten. Dabei spielen alle Argumente eine Rolle, nur pädagogische Grundsätze, die bei einer Schule an erster Stelle stehen müsste, gehen baden.“

Für Vertreter von Interessengruppen ist es legitim ihre Vorstellungen zu realisieren. Das kann aber für die Stadtverwaltung und den Gemeinderat nicht gelten. Diese haben die Pflicht, besonders wenn die Bürger und Bürgerinnen gefragt werden, diese umfassend, wahrheitsgemäß und neutral zu informieren. Die Vorlage der Verwaltung für die Informationsbroschüre zeigt, dass nicht nur gegen diese Vorgaben verstoßen wird, sondern es scheinen auch alle Mittel recht zu sein, um die Vorstellungen der Verwaltung durchzusetzen. Für die Verwaltung steht die ökonomische Frage im Vordergrund. Bei der Kombi-Lösung Schule und Supermarkt würden Kosten für die notwendige Sanierung der Schule reduziert.

Dass der Einzelhandel sich für die Kombi-Lösung ausspricht, ist aus der Sicht von Verkaufsstrategen verständlich. Aber weder die Verwaltung, noch der Einzelhandel beachten dabei pädagogische Grundsätze. Deshalb sind die angeführten Aussagen des Einzelhandels tendenziös und damit nicht relevant. „Wenn man einen Sumpf trockenlegen will, darf man nicht die Frösche fragen,“ so Hillenbrand.

Auch die Argumentation, dass der Standort Neckarterrasse nicht zu Fuß erreichbar ist, geht an der Realität vorbei. Ein Vollsortimenter wird in der Realität von über 95 % mit dem Auto angefahren. Beim Standort Schwarzwaldstraße würde das zusätzlichen Autoverkehr bedeuten. Eindeutig falsch erscheint das Gutachten der Firma BrennerPlan. In dem unterstellt wird, dass beim Standtort Schwarzwaldstraße der Verkehr in der Hauptstraße geringer sein wird. Tatsächlich wird der Standort Schwarzwaldstraße mehr Verkehr anziehen, da alle Bewohner östlich der Lechtstraße durch die Hauptstraße anfahren. Bei dem Standort Neckarterrasse werden die Bewohner die L1100 nutzen, da sie dann schneller am Standtort Neckarterrasse sind. Wenn man pädagogische Grundsätze und die Verkehrsentlastung der Hauptstrasse über die Ökonomie stellt, dann darf es keine Kombi-Lösung an der Schwarzwaldstraße geben.