„Märchenstunde“

Das Märchen vom klugen Magistrat
oder „Honni soit qui mal y pense“

Es war einmal ein Bürgergremium, das im Glauben an die Unfehlbarkeit seines Magistrats, diesem zugestanden, bei der Vergabe von Baugrundstücken, ca. 20 bis 30 Prozent frei zu vergeben. Damit bekam der Magistrat die Möglichkeit „verdiente“ Mitbürger zu bevorzugen, um sie an die Stadt (gute Steuerzahler) zu binden, oder sie für ihre Leistungen für die Stadt zu honorieren. Wohlgemerkt aus der Sicht des Magistrats, oder müsste man sagen aus der Sicht des Ortsvorstehers. „Honni soit qui mal y pense“ – „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.“ Es gibt trotzdem lasterhafte Stimmen im Volke, die dazu Vetterleswirtschaft sagen. Das geht aber doch zu weit und wäre eine Beleidigung der Majestäten. Es geht doch um das „Wohl der Gemeinschaft“. Die möglichen Gegenleistungen der mit solchen Wohltaten Ausgestatteten, sind sicher ausgeschlossen. Denn wir nehmen nichts, dies ist eine der Tugenden dieser Volksgemeinschaft. Dass unter den Bevorzugten keine Arbeiter mit Kindern sind, liegt sicher daran, dass diese selbst Schuld sind. Warum schaffen sie keine Arbeitsplätze oder zahlen mehr Steuern? Nein sie kosten die Stadt nur Geld. (Kindergarten, Schule).Karr-Bauplatz

Seitens der Magistrates wurde immer wieder betont, dass ja das Bürgergremium die letzte Entscheidung habe. Das Dumme an der Sache ist nur, bei den Vorschlägen der Magistrates fehlt eine entsprechende ausreichende Begründung und besonders die Darstellung, warum dieser Interessent vorgeschlagen wird und andere nicht. So gesehen kann das Bürgergremium nur ja oder nein sagen und jede Entscheidung kann falsch sein. Aber das ist doch auch nicht erforderlich. Jede Nachfrage würde unterstellen die Majestäten wären nicht in der Lage eine „sachgerechte“ Entscheidung zu fällen, oder gar „Vetterleswirtschaft“ zu betreiben. Nach dem Spruch, „Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand“, haben die Vertreter der Bürger und Bürgerinnen die Entscheidungen des Magistrats grundsätzlich zu akzeptieren und den Mund zu halten.

Der Spötter Heinrich Heine hat diese Haltung in seinem Buch der Bücher treffend formuliert: „Gehorchet Eurem Magistrat, der fromm und liebend schützt den Staat durch huldreich hochwohlweises Walten. Euch ziemt es stets, das Maul zu halten“.

So nebenbei hat der Magistrat auch noch Probleme mit der Mathematik. So wurden vor einiger Zeit in einem Baugebiet mit sieben zu vergebenden Grundstücken, drei vom Magistrat vergeben. Nach Adam Riese sind das 43 Prozent. Es kann aber nicht unterstellt werden, das sei Absicht gewesen. Die Verwaltung hat die beschlossenen 20 bis 30 Prozent entweder etwas großzügig ausgelegt, oder bei der Berechnung ist der Computer ausgefallen und wer kann heute noch solche schweren Berechnungen im Kopf ausführen.