Jeder zehnte Deutsche fühlt sich nicht ausreichend beschäftigt.
Die Bundesregierung bucht als Erfolg, dass die Arbeitslosenzahlen von 3,244 Millionen im vergangenen Jahr, auf 2,737 Millionen im Oktober 2011 zurückgegangen sind. Unabhängig davon, dass diese Zahlen die wahre Arbeitslosigkeit von über 4 Millionen versteckt, wird noch verschwiegen, worauf es wirklich ankommt. Ob die Menschen nach ihrem eigenen Dafürhalten ausreichend Arbeit finden, das messen diese Zahlen nicht.
Sogar 7,3 Prozent der Vollzeitbeschäftigten wollen länger arbeiten
Hinter die Kulissen hat nun das Statistische Bundesamt geblickt. Das Ergebnis der aufschlussreichen Studie ist nicht berauschend. 8,4 Millionen Menschen zwischen 15 und 78 Jahren haben demnach keine Arbeit oder würden gerne mehr arbeiten, wenn sie die Gelegenheit dazu erhielten. Verursacher dieses hohen Anteil ist die offiziellen Arbeitslosenstatistik. Menschen die mehr als 15 Stunden pro Woche arbeiten, zählen als Beschäftigte. Auch wer sich in Weiterbildung oder Programmen zur beruflichen Wiedereingliederung befindet, wird nicht als arbeitslos gezählt.
Gerne mehr arbeiten würden natürlich offiziell die Erwerbslosen, aber auch Studenten, Selbstständige, Hausfrauen, Schüler und Rentner, die nicht als arbeitslos gelten. 22 Prozent der Teilzeitbeschäftigten und 7,3 Prozent der Vollzeitbeschäftigten wünschten sich zusätzliche Arbeitsstunden. Vor allem Frauen arbeiten häufig in Teilzeit. Sie wünschen sich, zwischen 22 und 29 Stunden arbeiten zu können. Das verhindern oft fehlende Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder oder der Arbeitgeber. Dass selbst Vollzeitbeschäftigte mehr Arbeit suchen, verwundert ebenfalls nicht, schließlich gilt bereits als vollzeitbeschäftigt, wer mehr als 32 Stunden pro Woche arbeitet und viele zu Dumpinglöhnen arbeiten müssen
Die Arbeitgeber, die in den unterschiedlichsten Branchen über Arbeits- und Fachkräfteknappheit klagen, stehen in der Verantwortung. Allerdings dürften viele Umschulungen notwendig sein, um das brachliegende Arbeitskräftepotenzial tatsächlich heben zu können.
Während die einen zu wenig Arbeit haben, klagen andere über zu viel
Andererseits gibt es eine Reihe von Beschäftigten, die nach eigenen Angaben zu viel arbeiten. Die letzte fundierte Erhebung dazu hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung im Jahr 2009 auf der Basis von Daten für das Jahr 2007 gemacht. Demnach wünschen sich vor allem vollzeitbeschäftigte Männer kürzere Arbeitszeiten. Statt durchschnittlich 43 Stunden pro Woche wollen sie nur 39 Stunden arbeiten. In einer älteren Studie von 2004 kam das DIW zu dem Schluss, dass insgesamt 16 Millionen Menschen gerne kürzer arbeiten würden.
Wirkliche Zufriedenheit am Arbeitsmarkt gibt es also bei vielen Menschen nicht. Lässt sich das Problem lösen? „Ja, klar“, sagt Arbeitsmarktforscher Alexander Herzog-Stein vom gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung. Er schlägt einen Kompromiss zwischen kurzen und langen Arbeitszeiten vor: „Das Ideal liegt bei einer kürzeren Vollzeitarbeit für alle.“ Dafür aber muss sich am Arbeitsmarkt noch viel tun. Denn wenn ein Gleichgewicht bei der Arbeitszeit hergestellt werden soll, braucht es auch in jedem Beruf genügend Arbeitskräfte.