Haushalt 2010

Stuttgarter Stadtanzeiger (SStA)

Interview mit Werner Hillenbrand (WH) zu den Sparplänen der Stadtverwaltung Ludwigsburg

SStA – Die Stadt will jetzt in ihrer Spardebatte doch im Bereich Bildung und Betreuung einsparen. Schulsanierungen sollen verschoben werden und in der Kleinkindbetreuung soll auf Tagesmütter oder Ehrenamtliche gesetzt werden. Wie stehen Sie dazu?

WH – Diese Politik ist falsch. Bei Bildung und Betreuung darf nicht gespart werden. Im Gegenteil in diesem Bereich muss mehr investiert werden. Dies sind Investitionen in die Zukunft. Wer heute bei Bildung und Betreuung (Betreuung ist auch Bildung) spart muss später bei Sozialarbeit, im Bereich Jugendstrafvollzug bis hin zum Ausbau von Jugendstrafanstalten noch mehr ausgeben. Wer bei der Bildung spart verursacht ein weiteres Zurückfallen im Vergleich zu anderen Industrienationen. Der Fachkräftemangel wird zunehmen. Das wird der Wettbewerbsfähigkeit schaden und damit die Arbeitslosigkeit und Armut fördern.

Der Einsatz von Ehrenamtlichen und Tagesmüttern ist aus mehreren Gründen abzulehnen. Kindergartenbesuch ist vorschulische Bildung und genau so zu betrachten wie Schul- und Hochschulbildung. Um entsprechende Ergebnisse zu erzielen ist deshalb auch die Kindergartenarbeit und das besonders im Bereich der U3-Betreuung, nur von hochqualifizierten Erzieherinnen und Erziehern zu leisten. Dabei ist die notwendige Bildung und Betreuung ganzheitlich zu gestalten. Menschen und ganz besonders junge Menschen in einem Lebensalter, in dem die Prägung noch ausschlaggebend ist, brauchen Bezugspersonen. Das Prinzip der Arbeitsteilung und dann noch von nicht ausgebildeten Ehrenamtlichen ist zum Wohle der Kinder abzulehnen. Ich würde meine Kindern nicht in die Hände von Nichtausgebildeten geben!

Ein weiterer Grund ist die Tatsache, dass für die Subventionierung von Profisport, für die Luxusausstattung in der ARENA und bei anderen Baumaßnahmen, jede Menge Geld verschwendet wurde. In diesen Bereichen ist zu sparen und in die Bildung zu stecken! Wer es mit der Bildung und der Zukunft unserer Kinder ernst meint, spart nicht bei der Bildung.

Bei der Beurteilung von Streichungen und Verschiebungen von Investitionen gilt die Frage von Prioritäten. Der Erhalt bzw. Ausbau einer qualifizierten Schulbildung, z. B. mehr Lehrer, keine Streichung von Lehrmittel, hat Priorität vor Sanierung von Gebäuden, sofern sie die den Schulbetrieb nicht gefährden. Beides könnte aber gesichert werden, wenn die Verwaltung und der Gemeinderat bereit wären, im Sinne der Landesgemeindeordnung antizyklisch zu handeln. Das bedeutet Investitionen in  Bereichen der Zukunftssicherung. Das bedeutet aber in der heutigen Lage, Erhöhung von Steuern und Abgaben, höhere Entnahmen aus der Rücklage und gegebenenfalls auch Kreditaufnahme.

SStA – Mögliche Kürzungen sollen auch im Bereich der Vereine stattfinden. Der Pferdemarkt soll nur noch alle zwei Jahre stattfinden, Sporthallen sollen geschlossen werden. Auf der anderen Seite sollen die Vereine mehr Eigenleistungen bringen wie die Rasenpflege. Der Pferdemarkt als feste Ludwigsburger Tradition bringt der Stadt und den Vereinen nicht nur viel Geld sondern auch Ruhm ein – wie sehen Sie diese Entwicklung?

WH – Ein pauschale Kürzung bei den Vereinen ist falsch. Es ist sicher zu stellen, dass der Breitensport und Schulsport nicht eingeschränkt wird. Bei Maßnahmen die in Eigenleistung erbracht werden können und nicht zu Sicherung des Breiten- und Schulsportes führt, kann  ich mir im Einzelfall vorstellen, dass die Stadt den Rotstift ansetzt, so z.B. bei Ausbau, Sanierungen von Vereinsheimen, Zuschüsse für Veranstaltungen usw.

Das Pferdemarktfest sollte weiter jedes Jahr stattfinden. Damit die Tradition sichergestellt bleibt. Der Umzug sollte aber wieder am Nachmittag stattfinden, damit der eigentliche Pferdemarkt erhalten bleibt. Dabei müsste der Umzug auch nicht so teuer sein, wenn den Vereinen freie Hand gelassen wird. Dies würde sicher zum Erfolg des Pferdemarktfestes beitragen. Durch entsprechende moderate Erhöhung der Standmieten, könnten die Kosten etwas reduziert werden. Die kommerziellen Betreiber sind damit sicher einverstanden, da sie sonst sicher mehr Verlust haben.

SStA – Eine höhere Grundsteuer, mehr Zinsen aus Eigenkapital bei Stadtwerken, Verkehrsüberwachung/Bußgeldbescheide – kann man hier von einer Umverteilung zu Lasten der Steuerzahler sprechen? Wie sollen beispielsweise mehr Zinsen aus dem Eigenkapital der Stadtwerke erreicht werden? Ist dies möglich ohne den Bürger mit höheren Gebühren zu belasten? Wie sehen Sie diese Pläne?

WH – Eine Erhöhung der Steuern, Gebühren und Zinsen aus Eigenkapital bei den Stadtwerken zur Sicherung von Sozialleitungen, der Bildung und Betreuung halte ich in vertretbaren Rahmen für notwendig. Es ist richtig, dass dies eine Umverteilung zu Lasten der Steuerzahler darstellt. Das halte ich für vertretbar, da die Alternative die Reduzierung von Sozialleistungen und Bildung und Betreuung ist. Dies würde aber nur die Menschen mit geringem Einkommen treffen. Das halte ich für unsozial und für unsere Zukunft schädlich.

Die Erhöhung der Steuern muss dabei auch im Vergleich mit anderen Städten gesehen werden. Bei den Grundsteuern und der Gewerbesteuer liegt Ludwigsburg im unterem Mittelfeld. Eine Erhöhung wäre also eine zumutbare Belastung. Die Streichung aber von Leistungen bei Menschen mit geringem Einkommen ist unzumutbar.

Ich lege Wert darauf, dass meine Positionen aus der Sicht für mehr soziale Gerechtigkeit und in der Sorge um unsere Zukunft zu sehen sind. Erhöhungen von Steuern, Abgaben werden von mir nur mitgetragen, wenn diese Bedingungen berücksichtigt werden!