Streikrecht ist Demokratie!

Michael Schlecht, MdB – Gewerkschaftspolitischer Sprecher im Parteivorstand DIE LINKE und Chefvolkswirt der Fraktion – 7. März 2012

Streikrecht einschränken? Ausweiten!

In dieser Woche streiken die Beschäftigen des öffentlichen Dienstes. Ein Plus von 6,5 Prozent wird gefordert, mindestens jedoch 200 Euro. Es gibt einen deutlichen Nachholbedarf. Mit viel zu niedrigen Löhnen muss endlich Schluss sein. Karr-Mindestlohn

Die Warnstreiks müssten eigentlich Anlass sein um im Bundestag darüber zu diskutieren, wie dieser Arbeitskampf unterstützt werden kann. Und wie die Regierung gedrängt werden könnte, die Gelder für die Lohnerhöhung bereit zu stellen – bei immer wiederkehrenden Bankenrettungen rollen die Milliarden ja auch im Blitztempo.

Aber nein, diese Debatte will die SPD nicht führen! Fraktionschef Steinmeier setzt lieber die Tarifeinheit auf die Tagesordnung und fordert, dass die Regierung diese gesetzlich regelt. Wenn zwei Gewerkschaften in einem Betrieb vertreten sind, dann soll nur einer das volle Streikrecht zustehen. Für die andere laufen alle Modelle auf eine Einschränkung, ja auf ein Verbot des Streiks hinaus.

Vor allem bei ver.di wurde von Sommer 2010 bis 2011 intensiv über eine gesetzliche Regelung zur Tarifeinheit diskutiert. Das Resultat: Nach breiter, ablehnender Diskussion wurde dieser Weg mit Beschluss im Gewerkschaftsrat verworfen. Das Streikrecht darf nicht eingeschränkt werden.

Gerade weil es Gewerkschaften immer schwerer fällt zu guten Ergebnissen zu kommen, ist klar: Wir brauchen nicht die Einschränkung, sondern die Ausweitung des Streikrechtes. Wir brauchen endlich die Klarstellung, dass Solidaritätsstreiks unbeschränkt legal sind! Kein Arbeitsrichter soll mehr über die Verhältnismäßigkeit richten! Und wir brauchen endlich die Klarstellung, dass politische Streiks unbeschränkt legal sind! In vielen anderen, zivilisierten Ländern ist das selbstverständlich. Nur bei uns nicht! Das ist doch verrückt!

Für gewerkschaftliches Handeln ist wichtig, dass sich die Stärkeren zugleich für die Schwächeren einsetzten. Dass Fluglotsen, Ärzte, Piloten und Lokführer für ihre Interessen eintreten und streiken, ist ihr gutes Recht. Aber gleichzeitig auch ist es auch problematisch, weil sie ihre besondere Kampfkraft nur für sich und nicht gleichzeitig auch für die Krankenschwester, die Stewardess und den Zugbegleiter einsetzen.

Aber: Die Zusammenführung der verschiedenen Gruppen zu gemeinsamen gewerkschaftlichen Handeln muss politisch vorangebracht werden. Und nicht durch die gesetzliche Beschränkung des Streikrechtes kleiner Gewerkschaften!

Weshalb ist es in den letzten Jahren schwieriger geworden eine einheitliche gewerkschaftliche Interessenvertretung zu organisieren? Weshalb haben einzelne Berufsgruppen begonnen ihre eigene Tarifpolitik zu machen?

Dies hat viel damit zu tun, dass SPD und Grüne die Handlungsmacht der Gewerkschaft geschwächt haben. Wer befristet arbeitet, hat es viel schwerer zu streiken; wer verliehen ist schafft das nur in Ausnahmefällen. Weil so die Verhandlungsergebnisse immer schlechter wurden, fühlten sich manche Beschäftigtengruppen benachteiligt und kamen in die Versuchung ihren Vorteil im isolierten Kampf zu suchen.

Und heute erleben wir, wie der Hauptverantwortliche für die Schwächung der Gewerkschaften – die SPD – die Folgen der verhängnisvollen Politik der Agenda 2010 mit der Einschränkung des Streikrechtes beantwortet. Das ist zynisch und menschverachtend!