Kindertageseinrichtungen

Redebeitrag von Werner Hillenbrand (LINKE) in der WH-14-3-06-bGemeinderatssitzung vom 13. Juli 2011 zur Erhöhung der Elternbeiträge für Kindertageseinrichtungen.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrter Herr Seigfried, meine Damen und Herren

Diesem Vorschlag der Verwaltung kann ich nicht zustimmen. Die Erhöhung der Beiträge ist in höchstem Maße unsozial und ungerecht. Es ist in keiner Weise vertretbar, die Gebühren über den Rahmen der allgemeinen Entwicklung anzuheben. Die jeweilig für jedes Jahr festgestellte Erhöhung von 10 %, für U3 Kinder, die von vielen als moderat angesehen wird, halte ich in keiner Weise für moderat

Wichtiger ist aber, diese auf die aktuelle Steigerung fixierte Prozentzahl, versperrt die Sicht der Erhöhungen auf längere Sicht. Seit 2008 bis 2012 also in 4 Jahren, bedeutet dieser Vorschlag mit Essensgeld eine Erhöhung bei Kindern ab 3 Jahren von Durchschnittlich 10 bis über 50 %, bei Kindern unter 3 Jahren sogar von 60 – 80 %. In einem Fall bis 100 %.

Das ist absolut unsozial, weil in diesem Zeitraum die Einkommen der Bürger nicht in gleichem Maße gestiegen sind. Im Gegenteil: für die große Zahl der Bürger ist das Einkommen eher gesunken und das auch bei Eltern mit mittleren Einkommen die nicht unter die Sozialstaffel fallen. Nach dem WSI beträgt die aktuelle nominale Tariferhöhung 2,0 %. Bei einer Inflationsrate die derzeit bei 2,3 % liegt, bedeutet das weniger reales Einkommen. Die aktuelle Rentenerhöhung von einem Prozent richtet sich nach der offiziellen Lohnerhöhung im Jahr 2010 und zwar brutto. Einzelne Berufsgruppen z.B. Journalisten mussten streiken, um Lohnkürzungen von 20 Prozent zu verhindern.Lohnentwicklung

Kindergartengebühren sind auch grundsätzlich unsozial und ungerecht. Der von den Kirchen und kommunalen Landesverbänden angestrebte Anteil der Elternbeiträge von 20 % an den Betriebskosten ist eine politische Setzung und kein Naturgesetz. Aus der Sicht eines Staates, in dem die Zahl der Kinder ständig zurückgeht und die Lebenserwartung ständig steigt, ist das eine falsche und absolut kontraproduktive Setzung. Ich habe auch kein Verständnis dafür, dass die Kirchen diese Gebührenerhöhungen befürworten. Dazu kommt, dass diese Festlegung den Eindruck erweckt, als ob die Eltern nichts oder zu wenig bezahlen. Tatsache ist aber, dass sie mit ihren Steuern schon die Einrichtungen zu 100 % finanzieren

Nun sollen sie im Gegensatz zu Kinderlosen bis 20 % zusätzlich bezahlen. Nun kann man sagen, die Kinderlosen nehmen ja auch die Einrichtung nicht in Anspruch. Das ist zwar richtig, sie tragen aber auch nichts zum langfristigen Erhalt des Generationenvertrags bei.90-Karr-Kindergarten

Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich kinderlose Paare nicht verurteilen möchte. Kinderlosigkeit ist oft keine bewusste Entscheidung, sondern hängt von vielen nicht zu beeinflussenden Faktoren ab. Ich möchte aber, dass die Leistung der Familien für den Generationenvertrag auch anerkannt wird. Es ist nicht einzusehen, dass Kinder zu haben, zu Armut führen kann und oft auch führt.

Kindergartengebühren widersprechen der anerkannten gesellschaftlichen Leistung der Eltern mit Kindern. Allein die Existenz eines Kindes, die Ernährung und Ausbildung kostet viel Geld. Das wird ja auch durch die Steuerfreibeträge und das Kindergeld anerkannt. Die Gebühren sind damit aber kontraproduktiv, da damit das Kindergeld relativiert wird. Für manche Familie wird sich die Frage stellen, ob es nicht besser ist, zu Hause zu bleiben  und aufstockende Leistungen zu beantragen. Wenn Eltern aufstockende Leistungen zu ihrem Einkommen benötigen kostet das die Gesellschaft auch Geld. Der Gemeinderat und die Verwaltung kann sich zwar darauf zurückziehen, dass diese Lasten aus einem anderen Topf bezahlt werden. Das ist aber keine Lösung, sondern nur ein Wegschieben der Verantwortung. Auch das geplante Betreuungsgeld ist keine Lösung. Dazu möchte ich den AWO Bundesvorsitzenden  Wolfgang Stadler zitieren. Ich zitiere:

„Es wäre geradezu fatal, wenn aufgrund eines Betreuungsgeldes von 150 Euro sozial schwache Familien darüber nachdenken müssten, was sie dringender benötigen, das Geld oder ein gutes Bildungs- und Förderungsangebot für ihre Kinder“. Zitat Ende

Dabei kann ich mir die Bemerkung nicht ersparen, dass die alte Landesregierung beim Ausbau der U 3 Plätze unter Verletzung des Art. 71 Ziff. 3 der Landesverfassung die Finanznot der Kommunen verschärft hat. Sollen nun die Eltern dafür verantwortlich gemacht werden? Ich freue mich, dass die neue Landesregierung nun etwas unternehmen will.

Wenn wir das Verhalten der Landesregierung zwar kritisieren, die steigenden Kosten aber immer auf die Eltern abladen, wird sich nichts ändern. Das Problem ist ja für uns und die Kommune gelöst. Erst wenn wir konsequent nein sagen, wird sich der politische Druck erhöhen.

Kindererziehung und Bildung sind gesellschaftliche Aufgaben zur Herstellung von Chancengleichheit und Gerechtigkeit. Kindergärten sind Bildungseinrichtungen  Dies ist einhellige Meinung der UN-Kinderrechtskonvention und selbst der Bertelsmann-Stiftung bis zum Bildungs- und Teilhabegesetz der Ministerin Frau von der Leyen. Diese gesellschaftliche Verantwortung müsste sich eigentlich in der Gebührenfreiheit der KiTas ausdrücken. Die Lebenschancen der Kinder dürfen nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen!Karr-Gebühren

Ein weiteres Problem ist die Integration von Migrantenkindern. Integration beginnt im Kindergarten. Das ist um so wichtiger, wenn in Migrantenfamilien nicht die deutsche Sprache gesprochen wird. Wer es ernst meint mit der Integration, darf nicht durch steigende Kosten Migrantenkinder aus den Kindergärten vertreiben

Zum Schluss: seit Monaten hören wir von der Regierung, dass wir uns im „Aufschwung“ befinden. Es ist Zeit, dass die Beschäftigten mit ihren Kindern jetzt am Aufschwung teilhaben können. Am sinnvollsten sind dazu nachhaltige sozialen Investitionen für die Zukunft der Kinder und unsere Gesellschaft. Wann, wenn nicht in Zeiten des Aufschwungs, muss in die Zukunft unserer Kinder investiert werden? Die geplante Gebührenerhöhung verhindert aber die Teilhabe der Familien mit Kindern am Aufschwung!

Deshalb keine Zustimmung zum Vorschlag der Verwaltung